Ich habe lange Zeit gelebt als hätte ich zwei Leben in einem. Bis zu dem Tag im Büro, an dem mir mein Arzt mitteilte, dass ich Krebs habe. Ein unglaublicher Schock, der sofort vom Gedanken an meine damals 1jährige Tochter abgelöst wurde. Die weiteren Worte meines Arztes hörte ich nur noch wie das Rauschen einer Muschel am Ohr. „Wir brauchen jetzt schnell den besten Arzt“.
In jener Nacht bin ich irgendwann aufgestanden und habe mein Testament geschrieben – und das war der Moment, an dem ich etwas Entscheidendes verloren hatte: Das Gefühl, alles machen zu können. Aus gefühlten zwei Leben blieb möglicherweise keins mehr übrig.
Aber ich hatte einen Schutzengel: Mein Leben ist mir geblieben. Verloren habe ich dagegen etwas ganz Anderes. Meinen Herzmenschen. Denn just in diesem für mich hoffnungsvollen Moment wurde zeitgleich meinem Bruder rund 600km entfernt die mit Abstand hoffnungsloseste Diagnose übermittelt: Aggressiver Hirntumor. Der Tod nur noch eine Frage der Zeit.
Es blieben ihm und uns als Familie 7 Monate. Damals hörte ich erstmalig etwas über Palliativversorgung, Brückenschwestern und das Todesdreieck. Der Tod hatte sich angekündigt, aber das nimmt ihm nichts von seiner Härte mit der er ein Zusammenleben in davor und danach unterteilt. Wie ein scharf geschliffenes Messer trennte er uns von einer Minute auf die andere. Dabei werde ich den Moment selbst nie vergessen; jedes kleinste Detail ist mir in Erinnerung, eingebrannt wie ein inneres Tattoo. Ich habe meinen Bruder im Tod angeschaut – fast so als hätte ich den Tod herausfordern wollen, sein mieses Spiel endlich zu beenden. Aber was zu Ende war, war sein Leben.
Unser Leben dagegen ging weiter. Meine Tochter brauchte ihre alleinerziehende Mama und ich versuchte, weiter zu funktionieren. Wohl auch, mich abzulenken von der schlimmen Realität dieser Endgültigkeit, ihn nie wieder mit all meinen Sinnen wahrnehmen zu können. Kurz darauf war der Krebs zurück in meinem Körper. Es folgten Operationen, Strahlen- und Chemotherapien. Bis heute erscheint mir alles wie ein Traum. Zu krass, um wahr zu sein.
Letztlich habe ich aus allem eine wichtige Erkenntnis gezogen: Dankbar zu sein für mein Leben und für die Kraft, es jeden Tag gestalten zu können. Das brachte mich dazu, als freie (Trauer-)Rednerin & Coach zu arbeiten. Menschen zu begleiten, ihnen ein Anker zu sein und ihnen etwas ganz Wichtiges zu schenken: Hoffnung in dunklen Momenten. Etwas, das ich selbst erfahren habe.
Liebe Christine Hahn (Gründerin von @_mitherzundanker und @shopmitherzundanker), wir danken Dir herzlich dafür, dass du deine Geschichte und Erfahrung mit uns teilst.